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Detlev und ich auf St. Pauli

Der wohl verrückteste, lauteste und abgefahrenste Stellplatz überhaupt wurde mir versprochen und ich muss sagen, ich wurde nicht enttäuscht. Hamburg St. Pauli, direkt am Fischmarkt, in unmittelbarer Nähe zu den Landungsbrücken, zum Portugiesenviertel, zur Reeperbahn. Mehr Hamburg geht eigentlich nicht.

 

Ich war wirklich neugierig auf das, was mich erwarten würde, ein Stellplatz mitten in der Stadt, am St. Pauli Fischmarkt, mit Blick auf die Elbe. Die Anfahrt schon fand ich spannend und ich konnte mir während der Fahrt entlang der Grossen Elbstraße beim besten Willen nicht vorstellen, wo sich hier wohl eine Einfahrt zum Stellplatz öffnen könnte – und dann war ich da. Empfangen wurde ich von zwei Parkplatzwächtern, die es sich nicht nehmen ließen, das Parkticket für mich zu ziehen. Ich bin mir nicht sicher, ob es an meinem Bremer Kennzeichen lag, das mich sofort als hoffnungslos überforderten Provinzler entlarvte oder ob das dem üblichen Prozedere entspricht. In jedem Fall bekam ich nach kurzer Zeit ein Parkticket überreicht mit der Aufforderung, mir einen Stellplatz auszusuchen, „aber erste Reihe ist schon besetzt“. Schade, gerade auf den Blick auf die Elbe hatte ich mich gefreut, aber dafür hätte ich ganz offensichtlich schon eher anreisen müssen.

 

Aber egal, am meisten gefreut hatte ich mich auf „Hamburg mitten in die Fresse“, wie der Stellplatzführer versprochen hatte und genau das sollte ich auch bekommen. Als ich Detlev also frohgemut dann in der zweiten (und letzten Reihe) abstellte, kam gleich ein netter Wohnmobilnachbar vorbei, der mich freundlich darauf aufmerksam machte, dass es nicht unbedingt die beste Idee wäre, Detlev so dicht an der übermannshohen Mauer zu parken, weil es zu fortgeschrittener Stunde unter Umständen Menschen geben könnte, die sich einen Spaß daraus machten, von der Mauer aus auf die abgestellten Wohnmobile zu springen. Aha. Hamburg mitten in die Fresse also.

Es war aber wirklich sehr schön auf dem Stellplatz. Tatsächlich zog den ganzen Abend, die ganze Nacht und den ganzen nächsten Morgen ein unentwegter Besucherstrom zwischen den Wohnmobilen durch. Aber irgendwie mag ich ja Gesellschaft, wenn ich mit der Gesellschaft nicht unbedingt sprechen muss. Und obwohl Campingverhalten auf diesem Platz strikt untersagt ist und dort wirklich ausschließlich geparkt und übernachtet werden darf, war es überhaupt kein Problem, seinen Stuhl rauszuholen und es sich diskret zwischen den Wohnmobilen gemütlich zu machen. Einzig als ich direkt vor Detlev saß, kam die sehr nette Parkplatzwächterin und bat mich, mich doch einen Meter weiter zurückzusetzen, so dass sie mich von ihrem Häuschen aus nicht sehen müsste. Das liebe ich so an Hamburg!

 

Mein jüngster Sohn und ich hatten uns für den Abend zum Essengehen und anschließenden Gruselfilmgucken im Wohnmobil verabredet. Wir fanden, dass das ganze Ambiente auf dem Stellplatz für eine kleine Horrorfilmsession genau das richtige wäre – schließlich hatten wir einen Riesenschnauzer an Bord, der uns im Ernstfall beschützen würde, zur Not auch gegen eingebildete Schurken. Und ich muss schon sagen, obwohl ich überhaupt gar kein Fan von Horror- und Gruselfilmen bin und ich die nur deshalb so gerne mit meinem Sohn gucke, weil mir das gemeinsame Gruseln mit ihm so viel Spaß macht,

 

„Get Out“ hatte es echt in sich. Genau das richtige für eine Nacht auf St. Pauli.

 

Am nächsten Morgen, das hatten wir uns fest vorgenommen, wollten wir auf jeden Fall auf den Fischmarkt gehen, auch wenn das bedeutete, dass wir nach einer langen Filmnacht schon um halb sechs würden aufstehen müssen, um uns wirklich nichts entgehen zu lassen.

 

Übrigens,  so schlimm wie erwartet war der Aufbaulärm in der Nacht überhaupt nicht oder vielleicht lag es auch daran, dass ich buchstäblich überall schlafen kann, wahrscheinlich selbst noch direkt unter der Haupteinflugschneise des Frankfurter Flughafens. Jedenfalls hatte das was: Aufstehen, kurz die Hunde rauslassen und dann direkt in den Hamburger Fischmarkt eintauchen.

 

Es war genau so, wie ich es erwartet hatte. Noch müde Touristen – wie ich – voller Neugier auf den Fischmarkt, späte Partygänger, die die Nacht bei einem letzten Bier und Live-Musik in der Fischauktionshalle ausklingen ließen, stocknüchterne und sternhagelvolle Fischmarktbesucher, Obst jeglicher Couleur und aller Herren Länder, Fisch in allen nur möglichen Zubereitungsarten – bunt wie ich Hamburg liebe.

Und zum Abschluss, weil es so nahe war und weil es Hamburg ist und weil ohne die Reeperbahn St. Pauli nicht ganz komplett gewesen wäre, gab es noch einen kleinen Abstecher.

Stellplatz am Fischmarkt in Hamburg: St. Pauli Fischmarkt 17, 20359 Hamburg

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