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Old friends

Detlev muss dieses Wochenende zu Hause bleiben. Schon wieder. Nachdem ich ihm letztes Wochenende aufgrund seines plötzlich auftretenden Fiebers absolute Bettruhe verordnet hatte, muss er dieses Wochenende zugunsten alter Freundschaft zurückstecken.

 

Ich glaube, nur wenige Menschen kennen ihre beste Freundin oder ihren besten Freund ein Leben lang. Tatsächlich kenne ich meine beste Freundin nicht nur seit dem Tag meiner Geburt, ich bin auch die ersten 18 Jahre meines Lebens Tür an Tür mit ihr aufgewachsen. Hätte es nicht damals dieses seltsame Idee gegeben, Nachbarskinder auf keinen Fall in eine Klasse gehen zu lassen, dann hätten wir sicher schon unsere Grundschultage zusammen verbracht. So sind wir aber jedenfalls von der 7. Klasse bis zum Abitur in eine Klasse oder doch in einen Jahrgang gegangen.

 

Und meine beste Freundin hatte viel mit mir auszustehen: Mehr als einmal musste sie alleine zur Schule gehen, weil ich mal wieder im Krankenhaus war, nicht unbedingt immer geplant. Meine Freundin erzählt immer gerne von dem Morgen, als sie mich abholen wollte und meine Mutter ihr an der Haustür eröffnete, dass ich am Vortag vom Pferd gefallen und deshalb jetzt im Krankenhaus sei.

 

Denn meine Freundin holte in der Regel mich ab, nicht umgekehrt, weil ich immerhin 10 Meter näher an der Schule dran wohnte als sie. Nur wenn sie sich absolut verspätet hatte, machte ich den Umweg an ihrem Haus vorbei, um sie abzuholen. In meiner Erinnerung saß ihre Mutter dann immer im Morgenmantel am Küchentisch, meine Freundin kam herunter, reichte ihrer Mutter ihre Brille zum Putzen, trank den bereits wartenden Kaffee und biss eventuell noch einmal von einem Schokoladenzwieback ab. Frühstück ist bis heute nicht ihr Ding, frühes Aufstehen auch nicht.

 

Meine Geschwister und meine Mutter mussten oft mit dem Mittagessen auf uns warten, weil meine Freundin und ich für die paar Hundert Meter von der Schule nach Hause eine gefühlte Ewigkeit brauchten. Wir hatten uns halt viel zu erzählen. Meine Schwester behauptet heute noch, unser albernes Gelächter habe uns immer schon angekündigt, bevor wir überhaupt zu sehen waren. Persönlich halte ich das zwar für ein Gerücht, viel zu lachen hatten wir aber immer, ein Leben lang.

 

Es hat so viel ungemein Tröstliches mit jemandem so lange befreundet zu sein. Meine beste Freundin kennt mich mein ganzes Leben, mit allen Details, ohne dass ich ihr irgendetwas hätte erzählen oder erklären müssen. Sie war einfach immer dabei. Unsere Freundschaft hat ein Studium an zwei verschiedenen Orten überdauert, ein Leben auf zwei verschiedenen Kontinenten und zwei verschiedene Biographien.

 

Immer haben wir den engen Kontakt gehalten, der uns unser ganzes Leben lang begleitet. Erst durch endlose Gespräche in unseren Kinderzimmern und später durch nicht minder endlose Telefonate. Oft mussten wir diese Telefonate in aller Hast beenden, weil uns einfiel, dass wir in fünf Minuten verabredet waren. Und wir haben uns immer Briefe geschrieben. Schon als wir noch nebeneinander gewohnt haben und dann all die Jahre danach, bis heute, auch wenn wir unsere Briefe mittlerweile elektronisch verschicken.

 

Und obwohl uns manchmal das Leben in die Quere kommt und wir uns nicht immer sehen und nicht immer sprechen, meine Freundin ist mir immer nahe und ich weiß, sie ist da, wenn ich sie brauche. Auch das ist sehr tröstlich. Nicht mehr lang, dann werden wir, wie die alten Freunde in Paul Simons Bookends-Song, zusammen auf der Parkbank sitzen. Wie seltsam. Wie tröstlich. Wie wunderbar.

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